Beschreibung
Carambolage waren eine der ersten deutschen New-Wave-Bands, die sich ausschließlich aus Frauen zusammensetzten. Dabei war die Gründung einer sogenannten Frauenband nie beabsichtigt gewesen. Vielmehr ist die Punk-Allianz um Britta Neander, Elfie-Esther Steitz und Angie Olbrich organisch aus dem Umfeld der Ton Steine Scherben erwachsen und es war das gemeinsame Interesse am musikalischen Experiment unter Freundinnen, das sie miteinander verband.
Nachdem die ersten Demotapes im Umfeld verschickt waren, verschaffte Burkhardt der Zensor Seiler Carambolage einen Gig im angesagten Szeneclub SO36. Zu einer Zeit, in der sich unter der Neuen Deutschen Welle alles subsumierte, was sich als nationales Produkt mit diesem Etikett vermarkten ließ, setzte das Trio auf eine ganz eigene Spielart: Mit ihrem selbstbetitelten Debüt Carambolage, im Sommer 1980 von Rio Reiser und R.P.S. Lanrue produziert und auf dem Scherben-Label David Volksmund Produktion veröffentlicht, ließen sie sich in kein NDW-Marketingkonzept pressen. Aus der Kombination von Elfies merkwürdigen Fantasiegriffen an der Gitarre und einer Stimme, die ihr den Spitznamen der Spatz von Fresenhagen einbrachte, Angies Organ als Gegenpol und ihren unverkennbaren Bassläufen sowie natürlich Brittas unermüdlicher Bearbeitung des Schlagzeugs ergab sich ein kolossal erfindersicher Sound, der das erste Album prägen sollte.
Begleitet von schrägen Orgeln und rumpeligen Drums, rotzt Elfie einem ihre Texte so simpel wie eindringlich ins Ohr, dass sie noch lange nachwirken. Stücke wie Die Farbe war Mord lassen ein feministisches Bewusstsein erahnen, dessen Lesart zwar so nie von Carambolage initiiert war, aber dennoch für eine Klassifizierung zum Lipstickfeminismus sorgte. Eine Strömung innerhalb des Feminismus, die bewusst mit klischeehaften Attributen von Weiblichkeit kokettiert und diese performativ überaffirmiert, statt sich von ihnen abzugrenzen. Zum Ende der Platte transzendieren Vocals und Sound, was im monoton vor sich hin waberndem 22 Rue Chenoise kulminiert. Mit den Zeilen von Carambolage aus ihrem Song City-Großmarkt gesprochen: So meine Damen und Spermen, sind Sie bereit? Jetzt ist wieder Einkaufszeit. Während auf Festivals auch vierzig Jahre später noch überwiegend Männer auf der Bühne stehen, ist die Geschichte von Carambolage keine nostalgisch erzählte, sondern ein Strang, an den es unbedingt anzuknüpfen lohnt. Wie Julie Miess, die neben Christiane Rösinger später mit Britta in der Lassie Singers-Nachfolgeband Britta spielte, es in ihrem Text über Carambolage (Damaged Goods, Ventil Verlag) auf den Punkt bringt: »Vorbilder, die jedes siebenjährige Mädchen haben sollte!«