Beschreibung
»Im Grunde bin ich ein Balladenheinz.« Damit bringt Martin Bechler sich und sein Werk mit Fortuna Ehrenfeld auf den Punkt. Ruhig, gerne elegisch, sparsam arrangiert, der Focus auf Stimme und melancholischem Hinhör-Text: Das ist das Songformat, das ihm am leichtesten fällt. Morgens von der Idee geweckt, nachmittags komponiert, abends aufgenommen, Haken dran und fertig – wo andere larmoyant mit ihrem Writer’s Block ringen, liefern Fortuna Ehrenfeld ab und ab und ab.
Eigentlich wollte Bechler im Dezember 2018 nur ein neues Album schreiben. Doch dann waren da auf einmal viel zu viele Lieder und viel zu wenig Platz. Klar, theoretisch hätte man auch mehr als 13 Songs auf das neue Album »Helm ab zum Gebet« packen können. Aber Bechler ist eben nicht nur ein Balladenheinz, sondern auch ein gewiefter Dramaturg mit sehr gutem Gespür für Rhythmus und Aufbau. Die Prämisse der Band lautete, das Album klar, kompakt und auch kurz zu halten. Aber wohin dann mit den restlichen Songs? Fürs nächste Album aufsparen? Aufs lange Regal packen, wenn in ein paar Jahren die große Fortuna-Ehrenfeld-Anthologie ansteht? Alles keine Optionen.
Also hat die Band sechs Songs auf einer EP versammelt, die alle mehr oder weniger als Balladen durchgehen und den Flow von »Helm ab zum Gebet« wahrscheinlich etwas gebremst hätten. Viel Klavier, ein bisschen Chanson, und zum monumentalen Abschluss namens »Vereinsheim« darf sogar die Blaskapelle ran, die seit dem 2018er-Haldern Festival immer mal wieder für die ganz besonderen Fortuna-Ehrenfeld-Momente sorgt. Und schon beim ersten Hören wird klar: Diese sechs Songs sind nicht eben übriggeblieben, kein Ausschuss und keine B‑Ware, wie sie manchmal anfällt, wenn im Studio große Ideen zu kleinen Songs schrumpfen, die dann nervig und mitleidheischend an der Tür kratzen wie eine räudige, einäugige Katze: Im Bach ertränken geht nicht, aber ins Haus holen und ihr einen Ehrenplatz vor dem Kamin bereiten, will man dann auch nicht. Nein, das hier sind sechs wunderbare Songs einer wunderbaren Band, die eben nach einer anderen Präsentationsform verlangen.
In diesem Fall heißt das: All Eyez On Martin B.! Denn Paul Weißert und Jenny Thiele, die anderen beiden Bandmitglieder, sind auf diesen sechs Songs wenig bis gar nicht zu hören. Das erinnert an die Momente bei den Konzerten, wenn die anderen mal kurz Pause machen und Bechler sich mucksmäuschenallein ans Klavier setzt und die Stecknadeln Spalier stehen. Somit stellen »Die Lieder vom Regenradar und den Mandelviolinen« eine EP im klassischen Sinne des »Extended Plays« dar: Eine Ergänzung und Erweiterung, in der sich eine Band in einem etwas anderen Blickwinkel als auf dem Album zeigen kann. Mit Songs, die trotzdem keine Fremdkörper sind, sondern perfekt ins Repertoire passen. Der Balladenheinz hat mal wieder ganze Arbeit geleistet.
Ingo Neumayer