Beschreibung
Das weiße Album der Beatles: wenn Bands an einem aussichtslosen Wendepunkt ihrer Karriere (wie damals The Beatles) eine unfertige, sperrige Platte abliefern, die auch noch unsinnig viele Jahre der Produktion in Anspruch genommen hat, dann sprechen sie von IHREM „Weißen Album“ – gemeint ist mit dieser Formulierung aber in jedem Fall: ihr „Meisterwerk“. Als Ringo Star gefragt wurde, was das interes-santeste an der Produktion des „Weißen Albums“ gewesen sei, antwortete er: „Der Moment, an dem mir jemand das Schachspielen beigebracht hat.“
Gut, jetzt haben wir uns nochmal ins Gedächtnis gerufen, wer eigentlich diese Beatles waren. Die EASTIE RO!S, um die es hier geht, bedürfen keiner Erinnerungs-auffrischung: wer einmal mit ihnen zu tun hatte, vergißt sie nicht, so wie auch Verkehrsunfälle, brennende Schulbusse und Wetterkatastrophen lange in Erinnerung bleiben. Eine Band wie die Eastie Rois, die mit streberhaftem Fleiß das Punk-programm Saufen und Chaosstiften ausgelebt hat, ist vom coronabedingten Ende des Konzertbetriebs – inklusive dem Ende der Spuckorgien mit dem Publikum – natürlich besonders hart betroffen. Aber sie haben diese reizarmen Jahre für die Aufnahme des „Braunen Albums“ genutzt.„Scheiße Gang“, die Debütplatte der Eastie Rois, deren Aufnahme (immerhin 19 Lieder) genau fünf Stunden gedauert hat, war der erste Teil der „Scheiße-Triologie“, die jetzt mit dem „Braunen Album“ ihren Abschluss findet. (Ich bezweifele, dass zu „Scheiße Gang“-Zeiten schon am Konzept der Trilogie gefeilt wurde, ebenso glaube ich nicht, dass es die zur Trilogie gehörende zweite Platte mit Fäkalienbezug gibt – aber diese kleinen Nebenwidersprüche machen das große Ganze nur um so glaubwürdiger). (*Einwurf der Band: Was ist denn mit „Scheiße kalt serviert“ Herr Göring?)
Wohltuend fällt auf, wenn man das liebevoll gestaltete BRAUNE Cover in die Hände nimmt, mit der schlichten, in der Produktion aber wahrscheinlich unsinnig teuren Prägeschrift (wer die weiße Beatlesplatte nicht kennt, der ist jetzt wahrscheinlich verloren), dieselbe Anordnung der Musikerportraits in Braun/Weiß auf der Rückseite, die Tomate von Tomatenplatten auf dem Label statt dem Apfel wie bei den Beatles… Aber was am wohltuendsten ins Auge fällt bei diesem postmodernen Zitatencluster: die Abwesenheit von Deutschlandfahnen und Initiative-Musik-Neustart-Logos (die auf Plattenhüllen abgedruckt werden MÜSSEN, wenn die Platte mit staatlichen Mitteln gefördert wurde). Die Eastie Rois haben sich für dieses DIY-Produkt auf jeden Fall nicht vom Staat bezahlen lassen! Vielleicht wäre es aber – angesichts des Scheiße-Themas – ganz hübsch gewesen, die Logos trotzdem drauf zu drucken, damit die Behörden in Erklärungsnot geraten: NEIN! DAS haben wir NICHT gefördert!
Ihr seid nach dieser langen Vorrede wahrscheinlich gespannt etwas über die Musik auf dieser Platte zu erfahren: Diese Scheibe klingt genau so, wie eine Eastie Rois-Veröffentlichung klingen sollte – so, als sei sie an einem besoffenen Nachmittag in fünf Stunden zusammen-gerotzt worden! Und es ist genau so, wie es oben steht: wenn jemand das „Weiße Album“ erwähnt, dann ist damit„Meisterwerk“ gemeint! Das Opus magnum! Die Götterdämmerung! Die Apotheose!
Anspieltip: „Abhäng im Wedding“, das klingt wie eine bösartige Kreuzung aus „Revolution Number 9“ und „Obladi Oblada“
Charles Manson hat nach dem Hörgenuss des „Weißen Albums“, von „Revolution Number 9“ und „Helter Skelter“ seine Anhänger nach Hollywood geschickt, um ein Blutbad zu veranstalten. Ich bin schon sehr gespannt zu erfahren, wie das „Braunen Albums“ auf ähnlich verrückte Art wirken wird..
Brezel Göring