Beschreibung
Das neue Album von Die Sterne heißt ‚Hallo Euphoria’, und da fragt man sich natürlich gleich, ob die noch alle Tassen im Schrank haben. Denn Euphorie ist von allen Gefühlen, die man derzeit so haben kann, das unwahrscheinlichste. Dann hört man die zehn neuen Lieder, und spätestens vierzig Minuten später, wenn die Streicher vom letzten Stück – dem traurigsten Sterne-Song aller Zeiten – verklungen sind, spürt man sie, die Euphorie.
Aber nicht als hysterisches Hurra oder zynisches Nach-uns-die-Sintflut, sondern als zarte Erhebung in der Herzgegend bei leichtem Hirnflimmern und irritierend guter Laune. Auf dem neuen Album von Die Sterne kommen mehrere Dinge zusammen: Die Musik macht glücklich, die Texte sind dermaßen treffende Kommentare zum Zustand unserer Zeit, dass man sie sich irgendwohin tätowieren will, und eine neue Band wächst über sich hinaus.
Damit werden auf jeden Fall die wenigsten gerechnet haben, dass Die Sterne 32 Jahre nach Gründung noch mal so einen Knaller bringen. Und das nicht im Sinne von Alterswerk. ‚Hallo Euphoria’ könnte auch als Debüt durchgehen, so frisch, leicht und relevant wie das Ding um die Ecke biegt. Hört man ja schon an der ersten Single, ‚Alles was ich will’ – ein unverschämt flockiger Groove, über den Frank Spilker so verwundert vom ewigen Wollen singt, dass man sich sofort mit der eigenen Lebensgier versöhnt. Streicher wehen noch die letzten Schuldgefühle weg und fertig ist der Sommerhit. Dagegen ‚Die Welt wird knusprig’ – selten wurden Systemkritik und Weltbeschreibung so elegant in Worte gekleidet und statt eines Zeigefingers, gibt’s nen Slogan für den Klimawandel: die Welt wird knusprig.
‚Die Kinder brauchen Platz’ taugt hervorragend als eine Art Demohymne für den Kampf um Freiräume. Einfach irgendein Haus besetzen, diesen Song laufen lassen, alles gesagt. ‚Niemand kommt unschuldig raus’ legt den Finger in die Wunde – das bisschen Bio und Fahrrad macht dich nicht zum besseren Menschen. Darin war Frank Spilker schon immer gut: Zustände beschreiben und Widersprüche freilegen, ohne die Antworten gleich mit zu liefern. Er will nichts erklären, nur zeigen und erzählen, denken darf man hier noch selber. Hoffnung und Trost spenden andere. Spilker schraubt dir ganz beiläufig den Kopf auf, an dem du dich kratzt, während die Beine tanzen, weil die Band, also die Band … Was machen die da?
Musikalisch ist ‚Hallo Euphoria’ typisch Die Sterne, aber weitergedacht und freigedreht. Es gibt den Funk, die Licks und Riffs, das sexy Eckige, aber nun auch Streicherharmonien und so was Treibendes auf der Autobahn zwischen Köln und Düsseldorf – Krautpop, Baby. Die Band lässt es konzentriert verspielt und oberlässig laufen, mit Kraut und Funk und kurzen Schlenkern zur Bongo oder zum Schönklang. Der Sänger erzählt liebevoll und irgendwie verschmitzt davon, wie es ist, heute hier am Leben zu sein, und das geht gut zusammen, da will man mit. Man ist nur viel zu schnell am Ende, dem letzten Song, ‚Wir wissen nichts’, der nicht nur der traurigste, sondern auch der schönste Die-Sterne-Song aller Zeiten ist.
Was ist passiert? Wo kommt denn jetzt auf einmal dieses Album her – das 13. Die-Sterne-Album, nach 32 Jahren? Da wird doch eigentlich nur noch verwaltet und im besten Fall in Würde gealtert. Na ja, Die Sterne haben sich halt neu erfunden. Das heißt, Frank Spilker hat sie neu aufgestellt, sich von seinen alten Mitstreitern 2018 gelöst, für das letzte Album – ‚Die Sterne’ – neue rangeholt, so rumprobiert, und dabei ist diese Band entstanden, bestehend aus Jan Philipp Janzen und Phillip Tielsch (beide Von Spar und Urlaub in Polen), Dyan Valdés (Mexican Radio, The Blood Arm) und dem Arrangeur und Gitarristen Max Knoth. Spilker sagt, sie hätten nur ein paar Skizzen gehabt und keinen Masterplan, als sie ins Studio gingen. Und da gab’s einen extrem guten Flow, da war viel Teamwork, alle konnten sich einbringen, eine Band ohne Eitelkeiten, alles ganz entspannt. Das mit dem Schreiben ist er auch lockerer angegangen, hat die Perfektion vermieden, fand sich bei den Orchesteraufnahmen wieder und dachte, na, den Text hättest du aber auch noch mal durchfegen können. Hat er aber nicht. Und vielleicht war es das und die befreit spielende Band, diese Lockerheit, dieses weniger Wollen, was letztlich zu der Euphorie geführt hat, die man empfindet, wenn man dieses Album hört. Es ist halt sehr erhebend, wenn man Menschen beim Musizieren beiwohnt, die einem keinen Scheiß erzählen und einfach versuchen, was Belebendes zu machen, mit dem, was da ist.