Beschreibung
März 2020, die Klubs und die Bars schließen. Die Konzerte sind vorbei, ganz vorbei und es wird still. Vier Kölner*innen sitzen jeden Tag an ihren Musikmaschinen und versuchen dieses Gefühl der Verbindung einzufangen, schicken sich ihre Demos einander zu, jeder will den anderen überraschen, übertrumpfen…das sorgt für Reibung, für Berührung! – der social distance zum Trotz. Exakt Neutral präsentieren uns in ihrem Debüt 13 Songs, 13 wunde Punkte, in die wir einzeln anstatt eines Fingers, unser Ohr hineinlegen dürfen. Das sind 13 Begleiterscheinungen vom Menschsein, also das, was uns alle verbindet.
DENN DU WILLST UNVERWUNDBAR SEIN
Wir lauschen den Geschichten der Geschwister Michael und Ricarda über Kindheiten, aus denen die meisten wunden Punkte schließlich stammen. Obwohl man da bereits eifrig Strategien zu entwickeln versucht, um sich unangreifbar zu machen. Zum Beispiel, indem man sich hinter einer Gasmaske versteckt: Die ganze Welt, sie hat mir Angst gemacht. Was auch geschah, verlor seine Gefahr, wenn ich durch das Plexiglas sah.
DAS GEFÜHL ES GEHT VERLOREN STÜCK FÜR STÜCK
Und kaum ist man erwachsen, verklärt man auch schon Kindheit und Jugend und man hat eigentlich nur noch Angst, dass man sich bald nicht mehr richtig erinnert. Die schlimmste aller Wunden reißt die Zeit: Wir werden einfach alt – was für ein Affront gegen unsere Eitelkeit!
Aber wir sind ja Verdrängungskünstler*innen und der Bruder singt:
In meinem Garten, 3 Ellen tief, da liegen sie begraben, doch das ahnt keiner. So habe es ihm seine Mutter geraten. Und wie das in Familien(bands) so ist, was der Bruder gut verschüttet hat, buddelt die Schwester einfach wieder aus: Ich grab dich aus und heb die Flüche auf.
LÄUFT ER IMMER WEITER, IMMER IMMER WEITER
Und mit unserer Punktesammlung wandeln wir als Minenfelder durch das Leben und lösen aneinander Komplexepisoden aus. Und das mit einem ziemlich schizophrenen Verhältnis zur Geschwindigkeit, die sich bei Laufrad auf unsere Herzen überträgt: Wir tun erfolgreich so, als lebten wir ewig und haben es dabei trotzdem so verdammt eilig. Dabei sollte es doch gar nicht mehr viel zu tun geben, weil doch Alexa uns die ganze Arbeit abnimmt. Doch diese Rechnung geht nicht auf und im Duett der Geschwister heißt es:
KOMM, ALEXA, KOMM ERSCHIEßE MICH.
Hier wird keine Realität verleugnet oder geschönt, vielmehr aufgefordert dazu zu tanzen. Songs, die in einer anderen Zeit geschrieben sein könnten, aber doch nicht so klingen. 80s Synthies werden zur Endzeit-Disco im Hier und Jetzt und irgendwie ist da immer auch ein herrliches, knochiges Stück Punk.
Die Musik kann in den Arm nehmen und beruhigend an der Schulter berühren, gleichzeitig aber auch schubsen, schütteln und sogar treten. Ungeschminkt, leidenschaftlich.
Apropos ungeschminkt: Exakt neutral spielen ironisch mit ihrer Eitelkeit: Zeigen nur Bilder, die ihr Alter nicht preisgeben, zeigen dort alle Emotionen von 0–1, um ihre wunden Punkte scheinbar unter Verschluss zu halten, nur um spätestens auf der Bühne daran hoffnungslos zu scheitern, exakt neutral zu bleiben. Und stattdessen die peinliche Spottdrossel in sich und in uns einfach singen zu lassen.
Die Mitglieder von EXAKT NEUTRAL waren und sind unter anderem auch in Bands wie KMPFSPRT (Peoplelikeyou), Bazooka Zirkus (Kidnap Music) aktiv. Band: Ricarda Giefer (Voc.), Michael Giefer (Voc.) Jan Grooven (Drums) Christoph Korb (Bass). UND KARATE DISCO!